Was 2020 interessant wird
Aktienkurse, Nachhaltigkeit und Bundesliga – ein Interview über die Trends 2020 mit Carsten Mumm, dem Chefvolkswirt des Bankhauses Donner & Reuschel.
Das Interview führte Frank Wieser.
Frank Wieser: Das Jahr 2019 war ja ein tolles Jahr für Anleger. Wird sich das 2020 fortsetzen?
Carsten Mumm: Die Voraussetzungen für weiter steigende Aktienkurse sind nicht schlecht. Vor allem der schon in 2019 wesentliche Treiber der globalen Aktienmärkte, die expansive Geldpolitik vieler Notenbanken, wird auch in den kommenden Monaten für Unterstützung sorgen. Damit bleiben die Zinsen in der Eurozone auf niedrigen Niveaus. Das hilft den Unternehmen durch günstige Refinanzierungsmöglichkeiten und sorgt dafür, dass Aktien im Vergleich zu verzinslichen Euro-Anlagen attraktiv bleiben.
Noch einmal hoch zweistellige Kurszuwächse sind allerdings kaum zu erwarten. Einerseits sind die Bewertungen vieler Aktien bereits deutlich gestiegen, da parallel zu den steigenden Kursen die Unternehmensgewinne oftmals gesunken sind. Zudem wurden schon viele positive Erwartungen in 2019 eingepreist, vor allem die Teileinigung zwischen China und den USA im Handelskonflikt, ein geordneter Brexit und eine leichte konjunkturelle Erholung in der Eurozone.
Stiftungen dürfen ja nicht allzu große Risiken eingehen. Wo gibt es denn bei Anleihen überhaupt noch positive Zinsen? Was ist mit Aktien, die eine hohe Dividende haben?
Positive Nominalzinsen gibt es schon noch. In den letzten Monaten sind die Zinsen ja sogar gestiegen, für 10-jährige Bundesanleihen zum Beispiel von -0,70 auf -0,40 Prozent p.a., für 30-jährige Bundesanleihen wieder leicht in den positiven Bereich. Das weltweite Volumen der negativ verzinsten Anleihen liegt aber immer noch bei weit über 10 Billionen US-Dollar.
Die verbreiteten Negativzinsen sorgen dafür, dass auch andere Segmente, etwa Unternehmensanleihen oder Anleihen mit schlechteren Bonitäten nur noch geringe Risikoprämien aufweisen. So liegt die Rendite griechischer Staatsanleihen mit 10 Jahren Restlaufzeit mittlerweile nur noch knapp über 1 Prozent p.a. – ein Rekordtief. Damit werden die Risiken, die Anleger eingehen, nicht mehr adäquat entlohnt. Der risikolose Zins ist zum zinslosen Risiko geworden.
Das trifft besonders Stiftungen, die den realen Kapitalerhalt, also eine positive Rendite nach Abzug von Inflation und Kosten nur durch verzinsliche Anlagen kaum noch erwirtschaften können. Aktien bieten da eine Alternative. Allein die Dividendenrendite der DAX-Unternehmen liegt aggregiert immerhin bei 3 Prozent. Aber die Investitionsquoten müssen im Rahmen bleiben und wegen der Kursschwankungen aktiv gemanagt werden.
Nachhaltiges Anlegen ist ja jetzt in aller Munde. Ist das ein echter Trend oder Marketing?
Man muss sich nur anschauen, welche Bedeutung das Schlagwort „Nachhaltigkeit“ in den letzten Monaten bekommen hat. Es gibt kaum noch einen Lebensbereich, in dem es nicht darum geht, weniger negative Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Mitmenschen zu produzieren, was ja auch wünschenswert ist. Diese Entwicklung kann man selbst als nachhaltig im Sinne von dauerhaft bezeichnen.
Nachhaltigkeit dürfte daher auch zu einem der maßgeblichsten Einflussfaktoren aller Wirtschaftsbereiche in den kommenden Jahren werden. Dabei spielt die Kapitalanlage eine entscheidende Rolle: Anleger können und werden direkten Einfluss nehmen, indem sie nur noch nachhaltig agierende Unternehmen und entsprechende Investitionen finanzieren. Neben den üblichen Kriterien der Kapitalanlage (Rendite, Risiko und Liquidität) wird die Frage der Wirkung der Kapitalanlage entscheidend sein. Viele Anleger wollen künftig sicher sein, dass sie keine Umweltverschmutzung, Gesundheitsgefährdung oder unethisches Verhalten unterstützen. Welche Auswirkungen Betrugsskandale, durch öffentlichen Druck initiierte politische Entscheidungen und plötzliche Nachfrageveränderungen entfalten können, sieht man derzeit bei den deutschen Autobauern.
Welches Ereignis ist denn im Jahr 2020 am wahrscheinlichsten: Trump wird wiedergewählt, Bayern München wieder Meister oder die Aktienkurse steigen erneut?
Puh, eine schwierige Frage. Also, für die Bayern spricht das Gesetz der Serie. Auch die schon über zehn Jahre andauernde Hausse an den Aktienmärkten dürfte vermutlich in diesem Jahr nicht enden. Am wahrscheinlichsten ist aber aus heutiger Sicht wohl, dass Donald Trump der alte und neue Präsident der USA sein wird. Es sieht nicht so aus, als ob einer der möglichen demokratischen Gegenkandidaten eine Chance gegen ihn hätte. Dafür müsste es schon einen plötzlichen und heftigen konjunkturellen Einbruch mit erheblichen negativen Auswirkungen auf den US-Arbeitsmarkt geben – ein kaum realistisches Szenario.
Vielen Dank für das Gespräch!
Carsten Mumm
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Er verantwortet die Erstellung der hauseigenen Kapitalmarktmeinung und -publikationen sowie deren Präsentation in Veranstaltungen, Öffentlichkeit und Medien. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst (CFA).
Frank Wieser
Frank Wieser verantwortet als Geschäftsführer die PMP Vermögensmanagement, einer der größten privaten Vermögensverwaltungsgesellschaften Deutschlands. Vorher war er Deutschlandchef einer renommierten Schweizer Privatbank. Er engagiert sich in verschiedenen Stiftungen und entwickelt zusammen mit Philipp Hof im Haus des Stiftens die Vermögenspooling-Fonds.
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