Tag der Schokolade
Schokolade! Schon seit 460 Jahren gibt es sie bei uns in Europa, diese zartbittere Versuchung, die ihren Weg ursprünglich aus Lateinamerika zu uns gefunden hat. Und jährlich feiern wir sie, die Schokolade, mit dem World Chocolate Day! Auch die Münchner Familie Distl Stiftung widmet sich – neben zahlreichen anderen Projekten – dem nachhaltigen Anbau von Kakao in Lateinamerika. Dabei ist der Begriff „nachhaltig“ zentral, denn die Stiftung legt großen Wert darauf, dass die Projekte den Menschen nicht nur wirtschaftlich dienen, sondern dabei im Einklang mit der Natur stehen. Der Stifter Richard Distl ist überzeugt, dass wir nur so eine gesicherte Zukunft auf diesem Planeten haben.
Seine Haltung spiegelt auch den Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit wider und wird seit 2015 bekräftigt durch die sogenannten ‚Nachhaltigen Entwicklungsziele‘ oder ‚Sustainable Development Goals‘ (kurz: SDGs). Diese wurden von den Vereinten Nationen verabschiedet und stehen für eine soziale, ökonomische und ökologische Zukunftsentwicklung.
Julia Seitz: Herr Distl, Sie sind Gründer der Familie Distl Stiftung in München, die sich – neben anderen Stiftungszwecken – auch der Entwicklungszusammenarbeit widmet. Welche Beweggründe führten zu dieser Entscheidung und wo ist Ihre Stiftung heute aktiv?
Richard Distl: Ich war viele Jahre als Unternehmer tätig. Meine Arbeit führte mich in zahlreiche Länder auch außerhalb Europas. Neben dem unternehmerischen Schaffen, das auf meinen Dienstreisen natürlich im Fokus stand, haben mich immer auch die Menschen und ihre Lebensbedingungen sehr interessiert und berührt. Mir wurde schnell klar, welch wertvolles Gut die Schaffung von Arbeitsplätzen ist, weil es den Menschen ein eigenes Einkommen ermöglicht und hilft, der Armut zu entkommen. Eltern können ihre Kinder zur Schule schicken, wenn sie nicht zu Hause zum Arbeiten gebraucht werden.
Es geht mir in meiner Stiftertätigkeit heute vor allem darum, Familien ein Einkommen zu ermöglichen für ein unabhängiges Leben. Genauso wichtig ist mir aber auch, dass die Projekte nachhaltiges Wirtschaften fokussieren und im Einklang mit der Natur und dem Planeten stehen. Denn es ist niemandem geholfen, wenn auf der einen Seite zwar Arbeitsplätze und Einkommen entstehen, auf der anderen Seite aber die Natur – unsere Lebensgrundlage – dadurch beeinträchtigt oder gar zerstört wird.
So kam ich zur Entwicklungszusammenarbeit. Meine Stiftung unterstützt mittlerweile zahlreiche Projekte in Lateinamerika, beispielsweise in Mexiko, Peru, Ecuador und Nicaragua. Diesen regionalen Schwerpunkt habe ich auch deshalb gewählt, weil ich Spanisch spreche und es mir wichtig ist, mit den Menschen vor Ort kommunizieren zu können.
Werfen wir einen Blick auf Ihr Projekt zur nachhaltigen Kakaoproduktion in Ecuador.
Dieses Projekt ist spannend. Wir arbeiten seit gut einem Jahr im ecuadorianischen Regenwald mit den Waorani zusammen, einem indigenen Volk, welchem wir durch den nachhaltigen Kakaoanbau und durch Absatzmärkte zu Einkommen verhelfen. Wichtig ist in diesem Projekt, die Erfordernisse der tropischen Böden zu verstehen und den Kakaoanbau so zu gestalten, dass es dem Ökosystem nicht schadet. Wir unterstützen deshalb die Waorani darin, ein Agroforstsystem zu implementieren, und schaffen Sensibilisierung dafür, wie nachhaltige Landwirtschaft im Einklang mit Natur und Mensch funktionieren kann.
Gleichzeitig haben wir uns mit einer regional tätigen Organisation zusammengeschlossen, deren Ziel es ist, den Regenwald des Amazonasgebiets zu retten. Mit der Unterstützung, die die Waorani durch den Kakaoanbau erfahren, schützen sie nun selbst ihren Lebensraum und wenden sich ab von destruktiver Einkommensgenerierung wie illegaler Abholzung, Jagd auf seltene Tierarten oder ähnliches. Dadurch sind die Ureinwohnerinnen und Ureinwohner zentrale Partner für den Schutz des Regenwalds geworden. Darauf sind wir sehr stolz.
Insgesamt unterstützt dieses Projekt rund 300 Familien. Sie profitieren nicht nur davon, dass ihr Lebensraum erhalten bleibt, sondern auch sehr direkt vom Verkauf der übrigens sehr fein schmeckenden Schokolade auf lokalen Märkten.
Das klingt bemerkenswert und es ist toll, wie Sie verschiedene Sektoren miteinander verknüpfen. Auch tragen Sie damit zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) bei. Welche Bedeutung haben diese Nachhaltigen Entwicklungsziele für Sie?
Die SDGs sind ein wichtiger Referenzrahmen, denn sie zeigen, in welchen Sektoren besondere Dringlichkeit zum Handeln besteht. Als ich meine Stiftung gegründet und mit der Projektarbeit begonnen habe, standen diese Ziele allerdings nicht im Vordergrund. Vielmehr war es mir wichtig, im direkten Austausch mit den Menschen vor Ort zu sein und zu erfahren, was deren Bedarfe sind. Das war mein Ausgangspunkt. Heute sehe ich, dass es da keinen Widerspruch gibt und dass alle Projekte auf die Erreichung der SDGs abzielen.
Mir persönlich sind vor allem Ziel 15 „Leben an Land“ und Ziel 8 „menschenwürdige Arbeit“ ein großes Anliegen. Eben der Einklang zwischen Natur und Mensch. Mit den Projekten der Stiftung tragen wir aber zu zahlreichen weiteren SDGs bei, wie Ziel 1 „Armut beenden“ oder Ziel 12 „nachhaltiger Konsum und Produktion “. Letztlich stehen die 17 Ziele ohnehin nicht singulär da, sondern bedingen sich gegenseitig.
Ziel 17 der SDGs hebt die Wichtigkeit von Partnerschaften hervor und bringt zum Ausdruck, dass letztlich alle Ziele nur dann erreicht werden können, wenn Organisationen kooperieren und sich gemeinsam dafür einsetzen. Welche Rolle spielen Partnerschaften für Ihre Stiftung?
Für mich ist ganz klar – ohne Partner geht es nicht! Unsere Partnerorganisationen vor Ort bieten uns überhaupt erst unsere Arbeitsgrundlage. Sie haben Strukturen, wissen was gebraucht wird und sind hautnah dran an den Projekten. Allein von Deutschland aus könnten wir die operative Umsetzung der Projekte überhaupt nicht stemmen.
Ganz zu Beginn meiner Überlegungen, eine Stiftung zu gründen, hatte ich das Glück, zwei Menschen in Deutschland zu begegnen, die sich sehr gut in der Entwicklungszusammenarbeit und im NGO-Sektor auskennen. Sie haben mir unter die Arme gegriffen, mir Projektvorschläge unterbreitet, politische Rahmenbedingungen aufgezeigt und mich letztlich ermutigt, meine Überlegungen zu konkretisieren. So bin ich dann im ersten Schritt auf deutsche Organisationen zugegangen, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, und habe darüber meine ersten Projektpartner gefunden.
Zudem habe ich das Haus des Stiftens als Partner gefunden, das mir bei zahlreichen administrativen und steuerrechtlichen Themen den Rücken freihält. Eine wunderbare Entlastung.
Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch – und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute für die Arbeit der Familie Distl Stiftung!
Das Interview führte Julia Seitz. Sie ist Projektmanagerin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Für zwei Jahre war sie vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) als EZ-Scout ins Haus des Stiftens entsandt, wo sie als unabhängige Expertin im Themenbereich Entwicklungszusammenarbeit tätig war.
Foto: Yai, stock.adobe.com
Die 17 globalen Ziele
Im Jahr 2015 verabschiedeten die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen die Sustainable Development Goals oder auch Global Goals (kurz: SDGs) genannt. Damit schufen sie die Grundlage dafür, weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde zu gestalten.
Als Ziel Nr. 17 nahmen die Vereinten Nationen „Partnerschaften“ auf, denn nur durch vertrauensvolle Kooperationen können die Global Goals erreicht werden. Das Haus des Stiftens teilt und unterstützt diese Haltung.
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