Rücklagen und Vermögensbildung
Ein Fachartikel von Rechtsanwältin Dr. Marietta Birner
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Gemeinnützige Körperschaften müssen ihre Mittel gem. § 55 AO grundsätzlich zeitnah und im Sinne des Grundsatzes der Selbstlosigkeit für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden. Doch es gibt Ausnahmen. Zum einen sind kleinere Organisationen von der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung ausgenommen, solange ihre jährlichen Einnahmen – aus Spenden, Vermögensverwaltung, Zustiftungen und Zweck- bzw. wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb – nicht mehr als 45.000 Euro betragen (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S 4 AO).
Zum anderen regelt § 62 AO einige Ausnahmen, wonach Rücklagen und Vermögensbildung erlaubt sind und eine vorausschauende und stabile Finanzplanung ermöglicht wird: Verfügbare Mittel können ganz oder teilweise den dort genannten Rücklagen zugeführt werden. Welche Möglichkeiten es gibt, finden Sie hier in diesem Factsheet.
Projektrücklage (§ 62 Absatz 1 Nr. 1 AO)
Projektrücklagen können aus dem Jahresergebnis gebildet werden – eine Pflicht dazu besteht nicht. Sie sind dann sinnvoll, wenn ein Teil des Ergebnisvortrags für intern beschlossene oder geplante Vorhaben reserviert werden soll. So wird sichergestellt, dass diese Projekte bei der Mittelverwendung berücksichtigt werden.
Für die Bildung einer Projektrücklage braucht es einen Beschluss des zuständigen Gremiums. Zudem muss ein klar nachweisbarer Zusammenhang zwischen der Rücklage und einer konkret geplanten Maßnahme zur Zweckverwirklichung bestehen. Werden Mittel über mehrere Jahre benötigt, ist ein konkreter Zeit- und Budgetplan zu erstellen. Damit eignet sich die zweckgebundene Projektrücklage besonders zur Finanzierung konkreter Projekte oder zur Erfüllung spezifischer Spenderwünsche.
Betriebsmittelrücklage (ebenfalls § 62 Absatz 1 Nr. 1 AO)
Die Betriebsmittelrücklage sichert die Liquidität für wiederkehrende Ausgaben einer gemeinnützigen Organisation. Sie schafft eine Reserve für laufende satzungsmäßige Aufwendungen für den Fall, dass diese vorübergehend nicht von den Einnahmen gedeckt sind. Hierzu muss der Mittelbedarf der Organisation für mehrere Monate ermittelt werden – etwa für Personalkosten, Miete oder Stipendienzahlungen. In der Praxis entspricht die Betriebsmittelrücklage meist dem Mittelbedarf für rund drei Monate.
Rücklage für Wiederbeschaffung (§ 62 Absatz 1 Nr. 2 AO)
Die Wiederbeschaffungsrücklage ermöglicht es, planvoll Mittel für zukünftige Ersatzinvestitionen anzusparen. Sie dient dazu, Wirtschaftsgüter zu ersetzen, die für die satzungsmäßige Arbeit notwendig sind – etwa ein Fahrzeug oder eine Maschine. Auch die sogenannte Investitionsrücklage für einen Immobilienneubau fällt darunter. Die Höhe der Rücklage bemisst sich grundsätzlich an den regulären Abschreibungen des zu ersetzenden Wirtschaftsguts. Eine höhere Zuführung ist möglich, muss aber – etwa bei gestiegenen Anschaffungskosten – nachvollziehbar begründet werden.
Freie Rücklage (§ 62 Absatz 1 Nr. 3 AO)
Die freie Rücklage stärkt die finanzielle Leistungsfähigkeit einer gemeinnützigen Organisation und ermöglicht ihnen den Aufbau einer gewissen Eigenkapitalbasis. Sie können ihre Mittel ganz oder teilweise der freien Rücklage zuführen – bis zu einem Drittel des Überschusses aus der Vermögensverwaltung sowie zusätzlich bis zu 10 % der nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel (Spenden oder Überschüsse aus zweck- und wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben). Die freie Rücklage kann vielfältig genutzt werden, beispielsweise zur Erhöhung des Stiftungskapitals, zur Erfüllung des Satzungszwecks oder auch zum Ausgleich von Verlusten im Vermögensbereich (wie Veräußerungsverluste oder Inflationsausgleich). Sie bietet damit finanzielle Flexibilität, da sie weder zweckgebunden noch zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke erforderlich ist.
Rücklage zum Erwerb von Gesellschaftsrechten (§ 62 Absatz 1 Nr. 4 AO)
Die Rücklage zum Erwerb von Gesellschaftsrechten dient dazu, bei einer Kapitalerhöhung im Verhältnis zur bestehenden Beteiligung mitziehen zu können – und so eine Verwässerung der Anteile und damit einen Vermögensverlust zu vermeiden. Die Beteiligung darf durch diese Rücklage nicht ausgeweitet, sondern lediglich erhalten werden. Die Höhe dieser Rücklage mindert den Betrag für die Bildung einer freien Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO – siehe oben.
Vermögensbildung bei Stiftungen (§ 62 Absatz 4 AO)
Stiftungen – rechtsfähige und nichtrechtsfähige – dürfen im Jahr ihrer Errichtung und in den drei folgenden Kalenderjahren Überschüsse und Gewinne aus der Vermögensverwaltung, aus Zweckbetrieb und aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ganz oder teilweise ihrem Vermögen zuführen. Für sonstige Mittel, zum Beispiel Zuwendungen und Zuschüsse, gilt diese Regelung dagegen nicht. Diese Möglichkeit der Rücklagenbildung soll die Rahmenbedingungen für eine dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks verbessern.
Liegen in einem Kalenderjahr sowohl positive als auch negative Ergebnisse aus Vermögensverwaltung, Zweckbetrieben oder dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb vor, darf die Zuführung zum Vermögen nur in Höhe des verbleibenden positiven Saldos erfolgen.
Rücklage aus Umschichtungen (Umschichtungsergebnisse)
In der Rücklage aus Umschichtungen werden Gewinne und Verluste aus Umschichtungen im Kapitalvermögen ausgewiesen: realisierte Veräußerungsgewinne oder -verluste sowie Buchwertberichtigungen. Es handelt sich hier um einen gesonderten Ergebnisvortrag aus Vermögensumschichtungen und -verwaltung, der einen Ergänzungsposten des Stiftungskapitals darstellt. Im Fall von Verlusten kann auch eine negative Umschichtungsrücklage ausgewiesen werden. Der Gewinn aus Umschichtungen unterliegt nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Wie sie eingesetzt werden dürfen, wird in der Satzung geregelt.
Frist zur Rücklagenbildung und Auflösung (§ 62 Abs. 2 AO)
Für die Bildung einer Rücklage gilt dieselbe Frist wie für die zeitnahe Mittelverwendung: Mittel können bis zum Ende des zweiten auf den Zufluss folgenden Kalenderjahres einer Rücklage zugeführt werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 AO). Bei einem Mittelzufluss zu Jahresbeginn ergibt sich so ein faktischer Zeitraum von fast drei Jahren.
Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 AO sind unverzüglich aufzulösen, sobald der Grund für die Rücklagenbildung entfällt – etwa wenn das Projekt abgeschlossen oder eine Ersatzbeschaffung getätigt wurde. Die freigewordenen Mittel müssen dann innerhalb derselben Frist (das heißt maximal drei Jahre) verwendet werden.
Für die freie Rücklage gem. § 62 Abs. 1 Nr. 3 gilt folgende Besonderheit: Wird in einem Jahr kein oder nicht der volle zulässige Betrag in die Rücklage zugeführt, kann dies in den folgenden zwei Jahren nachgeholt werden.
Rücklagen und Vermögensbildung – PDF zum Ausdrucken
Foto: domoskanonos, stock.adobe.com
Autorin dieses Fachbeitrags
Dr. Marietta Birner ist Rechtsanwältin in der Stiftungszentrum.law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Sie berät umfassend bei der Realisierung von gemeinnützigem Engagement.

„Ich erlebe täglich, wie viel Herzblut im gemeinnützigen Engagement steckt. Umso wichtiger ist es mir, dafür einen sicheren rechtlichen Rahmen zu ermöglichen.“
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