Verantwortung übernehmen, Zukunft gestalten
Ein Gespräch mit Stephan Kohorst, Gesellschafter Haus des Stiftens, über die Rolle von Vertrauen, langfristige Partnerschaften und die Bereitschaft zur Veränderung.
Im Interview mit Stephan Kohorst, einem langjährigen Unterstützer und Gesellschafter des Haus des Stiftens, sprechen wir über die Zukunft des sozialen Engagements und die Rolle von Unternehmen in einer sich wandelnden Gesellschaft. Mit über 40 Jahren Erfahrung in der sozialen und unternehmerischen Welt teilt Kohorst seine Vision für die Zukunft das Haus des Stiftens und erklärt, wie er dazu beitragen möchte, das Haus als bedeutende Institution für gesellschaftlichen Wandel zu stärken.
Haus des Stiftens: Warum ist gesellschaftliches Engagement für dich persönlich wichtig?
Stephan Kohorst: Für mich war es immer wichtig zu zeigen, dass man Gemeinnützigkeit und Eigennutz gut miteinander kombinieren kann. Wenn man beruflich erfolgreich ist, dann hat man auch die Möglichkeit, etwas zu bewegen. Als Unternehmer bin ich stark darauf fokussiert, Chancen zu erkennen, zu erarbeiten und zu nutzen. In den sozialen Projekten, die wir unterstützen, geht es darum, anderen Menschen Chancen zu geben, und es ist wichtig, dass diese Menschen diese Chancen dann auch ergreifen. Wir wollen Menschen unterstützen, die bereit sind, sich zu verändern und sich weiterzuentwickeln. Wir öffnen ihnen die Tür, geben ihnen Werkzeuge an die Hand und geben ihnen die Möglichkeit, sich selbst zu helfen und dabei neue Abhängigkeiten zu vermeiden. Das ist sehr erfüllend.
Gab es ein Erlebnis oder einen Schlüsselmoment, der den Anstoß für dein Engagement gegeben hat?
Stephan Kohorst: Ich glaube, das war bei mir schon früh angelegt. Es waren vor allem verschiedene Menschen, mit denen ich in meiner Jugend Zeit verbracht habe – zum Beispiel ein Gefängnispfarrer, der mit ehemaligen Strafgefangenen in einer Resozialisierungs-WG lebte. Auch später, im Laufe meines Engagements, kamen viele Erfahrungen hinzu, die mir dieses Gefühl gaben, dass es genau richtig ist, sich zu engagieren.
Ein Beispiel: Wir unterstützen ein Orchester in Rumänien. Bei einem Besuch vor Ort habe ich die extrem schlechten Lebensverhältnisse der Menschen dort gesehen – kaum vorstellbar in Europa! Wir luden das Orchester nach Dortmund ein, wo sie mit großer Begeisterung und Hingabe spielten. Der Sprung von solch schwierigen Verhältnissen auf die Bühne war beeindruckend, und sie begeisterten das Publikum. Das war eine großartige Leistung, die sie selbst erbracht haben – wir haben nur einen kleinen Teil dazu beigetragen.
Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, was man als Förderer tun kann: Man gibt die Bühne, aber die Leistung kommt von den Menschen selbst. Und wenn es gut läuft, ist das wirklich eine tief befriedigende Erfahrung, die man mit Geld nicht kaufen kann. Das sind die Momente, die das Engagement wirklich wertvoll machen. Das kann man nicht kaufen, das kann einem niemand geben.
Welche Rolle spielen solche Erfahrungen für dich, wenn du andere ermutigst, sich ebenfalls zu engagieren?
Stephan Kohorst: Wenn ich andere ermutige, sich zu engagieren, dann nicht mit einer moralischen Verpflichtung, sondern mit Erfahrungen, die tief berühren. Diese Erlebnisse gehen unter die Haut und bereichern einen auf eine positive Weise. Man bekommt tiefgreifende, berührende Erfahrungen, die wertvoll sind, weil sie einem mehr geben, als man selbst gegeben hat.
Deine neue Rolle als Gesellschafter – kannst du erzählen, wie es dazu kam und was deine Motivation war?
Stephan Kohorst: Ich kenne Philipp Hof, Gerit Reimann und Alexander Brochier seit über 15 Jahren. Wir haben uns auf verschiedenen Stifter-Treffen getroffen. Und was sie in den letzten 30 Jahren aufgebaut haben, fand ich immer sehr beeindruckend.
Vor einigen Jahren kam Philipp dann auf mich zu und sagte, er suche Leute, die ihn auf Gesellschafterebene unterstützen. Der Hebel, den man als Gesellschafter hat, ist viel größer, als wenn ich allein mit meinem Unternehmen agiere. Ich möchte helfen, Impulse zu setzen, zu befähigen und das Ganze kritisch zu begleiten. Mein Ziel ist es, andere Stifter und Unternehmer zu ermutigen, ihre ersten Schritte zu gehen und zu sehen, wie viel mehr man erreichen kann. Das ist die Vision dahinter.
Wie wichtig ist es dir, dass deine Werte und die von Haus des Stiftens zusammenpassen?
Stephan Kohorst: Ich glaube, dass es zwischen guten Familienunternehmen und guten Sozialunternehmen viele Gemeinsamkeiten gibt, vor allem in Bezug auf sozialunternehmerische Werte, die mir sehr wichtig sind. Diese Haltung habe ich auch im Haus des Stiftens gespürt. Es geht nicht darum, moralisch zu belehren oder Vorschriften zu machen, sondern den Menschen zu befähigen, sich zu engagieren, sie zu ermutigen und ihnen die nötigen Werkzeuge zur Verfügung zu stellen. Das ist auch ein großer Teil unserer Arbeit im Gesundheitswesen, speziell in der Wundversorgung – es geht darum, zu heilen und Menschen zu befähigen.
Was ich am Haus des Stiftens besonders schätze, ist, dass es Raum bietet, sich auf die eigentliche Arbeit zu konzentrieren. Es geht darum, den Engagierten den Rücken freizuhalten, damit sie sich nicht in administrativen Aufgaben verlieren, sondern ihr Engagement wirklich entfalten können.
Wo siehst du deine Stärken für das Haus und welche weiteren Ressourcen möchtest du einbringen?
Stephan Kohorst: Es gibt immer Potenzial, die Arbeit im Stiftungs- und Non-Profit-Bereich noch besser zu machen. Das Haus des Stiftens ist hier sehr gut aufgestellt, und ich sehe meine Rolle nicht operativ, sondern eher als Impulsgeber und Begleiter von Veränderungen. Mein Fokus liegt darauf, neue Ideen zu entwickeln und eine Kultur zu fördern, in der nicht nur theoretisch diskutiert wird, sondern Veränderungen auch praktisch ausprobiert werden.
Mit meinem Unternehmen habe ich gezeigt, dass eine langfristige Organisationsentwicklung, die einen klaren Purpose verfolgt, auch in kommerziell geprägten Unternehmen funktioniert. Diese Erfahrung möchte ich ins Haus des Stiftens einbringen. Es geht dabei nicht um Gewinnmaximierung, sondern darum, die Frage zu stellen: Was treibt uns an? Warum tun wir das? Es geht darum, immer wieder kritisch zu hinterfragen, was wir verändern müssen, um unsere gesellschaftliche Wirkung zu verstärken.
Was bedeutet Wachstum für dich im Kontext des Hauses des Stiftens?
Stephan Kohorst: Mich persönlich reizt Wachstum. In manchen Kreisen ist Wachstum vielleicht aus der Mode gekommen, aber ich denke, es kommt darauf an, was man wachsen lässt. Das Haus des Stiftens und das Engagement sollten definitiv wachsen, denn die Probleme sind da und der Bedarf bleibt.
Das wird mit Veränderung verbunden sein. Und das ist ein Prozess, den wir gemeinsam gestalten sollten. Es geht nicht darum, einfach alles zu kopieren, was in unserem Unternehmen funktioniert hat, sondern gemeinsam zu überlegen, wie wir Themen voranbringen können, ohne die grundlegenden Werte zu verlieren. Offenheit für Veränderung und der Mut, Neues auszuprobieren, sind entscheidend. Fehler sollten nicht gefürchtet, sondern als Lernprozesse betrachtet werden. Nicht alles, was in unserem Bereich funktioniert hat, muss auch im Bereich der Stiftungen und Non-Profits funktionieren – aber man muss es ausprobieren, um es zu wissen.
Wenn wir gemeinsam auf den Weg gehen und Veränderungen als Chance begreifen, können wir viel bewegen.
Kannst du schon etwas zu den Zielen sagen, die du dir für das Haus des Stiftens gesetzt hast?
Stephan Kohorst: Meine Rolle sehe ich eher darin, dabei zu helfen, eine langfristig solide Basis zu schaffen, die es ermöglicht, den positiven gesellschaftlichen Impact langfristig zu sichern. Wir sollten den Rahmen kontinuierlich hinterfragen: Stimmt die Konstruktion noch? Wo gibt es Veränderungsbedarf? Der kritische Blick von außen ist dabei wichtig, aber die eigentlichen Treiber und Motoren liegen bei der Geschäftsführung und den Teams.
Haus des Stiftens feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Was ist deine Vision für die nächsten Jahre?
Stephan Kohorst: Was Haus des Stiftens in den letzten 30 Jahren erreicht hat, ist wirklich gigantisch – der Hebel, mit anderen Menschen zusammen in die Gesellschaft hineinzuwirken, ist beeindruckend.
In den nächsten Jahren sehe ich vor allem das Thema Digitalisierung als wichtigen Punkt, aber gleichzeitig auch den Gegentrend, der die Bedeutung von persönlichen Kontakten und Austausch unterstreicht. Es geht darum, Menschen zu finden, die in den nächsten Jahren noch mehr bewegen wollen. Die Herausforderung ist, diesen Menschen zu helfen, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, sondern ihnen die tiefgreifende Befriedigung zu vermitteln, die mit gesellschaftlichem Engagement einhergeht. Wenn wir dazu beitragen können, dass mehr Menschen spüren, wie sie selbst wirksam sein können, wäre das ein großer Erfolg. Das Haus des Stiftens sollte in den nächsten Jahren als eine Institution wahrgenommen werden, die Orientierung bietet und Impulse setzt.
Was sind aus deiner Sicht die größten Herausforderungen für Unternehmen, sich zu engagieren – vor allem auch in (finanziell) schwierigen Zeiten? Was gibst du diesen Unternehmen mit auf den Weg?
Stephan Kohorst: Eine Herausforderung für Unternehmen ist es, das passende soziale Thema zu finden, das sowohl zum Unternehmen als auch zur Belegschaft passt.
Ein weiteres Thema ist die Balance zwischen Fordern und Fördern. Unternehmen müssen dem Partner mit Respekt und vielleicht auch mit Bescheidenheit begegnen, anstatt von oben herab Lösungen anzubieten. Besonders in schwierigen Zeiten wird die Not in sozialen Organisationen größer, und viele kämpfen mit finanziellen Engpässen. In solchen Zeiten ist es entscheidend, mit einer Haltung des Dialogs und des Zuhörens zu agieren. Das gegenseitige Vertrauen, das über Jahre entsteht, ist wertvoll, um auch schwierige Themen gemeinsam anzugehen. Es geht darum, fair mit Fehlern umzugehen und daraus zu lernen, statt sie sofort zu verurteilen.
Eine langfristige, vertrauensvolle Zusammenarbeit erfordert viel Zeit, viele eingebrachte Ressourcen. Würdest du empfehlen, dass Unternehmen sich anfangs erstmal auf ein paar wenige Organisationen konzentriert?
Stephan Kohorst: Ja, definitiv – Fokus ist wichtig, aber nicht zu früh. Zuerst geht es darum, Erfahrungen zu sammeln und Dinge auszuprobieren, auch wenn man sich auf verschiedene Themen und Zielgruppen einlässt, um das Ganze lebendig zu halten und nicht zu einer bloßen technokratischen Übung zu machen. Der Schlüssel ist, mit echter Leidenschaft und Motivation zu starten, denn nur moralisches Pflichtbewusstsein reicht nicht aus. Es muss einen emotionalen Mehrwert für alle Beteiligten bieten, damit sie wirklich dabeibleiben und bereit sind, mehr zu investieren. Wenn man mit wenig anfängt, sei es finanziell oder zeitlich, kann man Schritt für Schritt herausfinden, was funktioniert, und manchmal entstehen aus „Zufallstreffern“ die größte Leidenschaft und der größte Erfolg. Deshalb würde ich empfehlen: raus aus dem Reden und rein ins Handeln. Die Struktur kommt später – nicht zu früh.
Werden sich Unternehmen in Zukunft vermehrt engagieren oder wird das Engagement stagnieren?
Stephan Kohorst: Ich glaube, dass das Engagement von Unternehmen langfristig weiter zunehmen wird. In den letzten Jahren haben viele Unternehmen nur aus PR-Gründen mit gesellschaftlichem Engagement gepunktet, aber ich denke, dass diese Unternehmen jetzt unter Druck geraten werden. Langfristig wird die intrinsische Motivation immer die extrinsische überwiegen. Unternehmen, die sich authentisch und glaubwürdig sozial engagieren, werden sich auf dem Arbeits- und Absatzmarkt besser entwickeln als Unternehmen, die kein Interesse an gesellschaftlichem Engagement haben.
Abschließende Worte?
Stephan Kohorst: Für mich ist es wichtig, das, was in den letzten 30 Jahren geleistet wurde, als solide Grundlage für die Zukunft zu nutzen. Veränderungen gehören zu einer lebendigen Organisation dazu, und ich bin mir sicher, dass auch das Haus des Stiftens Veränderungen durchlaufen wird. Wichtig ist, dass wir uns nicht von Angst leiten lassen, sondern von der Freude, die Zukunft aktiv zu gestalten. Das Haus des Stiftens wird gebraucht, und die Arbeit, die hier geleistet wird, ist von großer Bedeutung. Wir sollten uns auch immer wieder fragen, was wir anders oder besser machen können, und uns bereit zeigen, Veränderungen anzunehmen. So können wir in Zukunft noch mehr bewirken.
Vielen Dank für das Gespräch, Stephan Kohorst!
Zum 30-jährigen Jubiläum haben wir Menschen aus unserem Netzwerk eingeladen, ihre Geschichten, Erfahrungen und Perspektiven mit uns zu teilen. Mehr entdecken.
Viel mehr lesen
Praxistipps und Fachbeiträge rund ums Stiften, Spenden und Fördern – für alle, die sich gemeinnützig engagieren.