Steuerbefreit – oder etwa doch nicht?
Gemeinnützige Stiftungen sehen sich einer zunehmenden Regulierungsdichte ausgesetzt. Neben außersteuerlichen Regulierungsvorhaben wie dem Transparenzregister wird für gemeinnützige Stiftungen das Ertragsteuerrecht zunehmend relevant, selbst wenn kein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird.
1. Die Ausgangslage
Gemeinnützige Stiftungen profitieren außerhalb eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes von umfassenden Steuerbefreiungen. So sind sie zum Beispiel grundsätzlich nur im Drei-Jahres-Turnus zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet und können Kapitaleinkünfte steuerfrei vereinnahmen. Leider wird diese allgemeine Steuerbefreiung durch spezialgesetzliche Regelungen in der Praxis zunehmend eingeschränkt. Auch gemeinnützige Stiftungen laufen damit Gefahr, Vermögenseinbußen zu erleiden, wenn sie steuerliche Aspekte bei ihrer Vermögensanlage nicht entsprechend berücksichtigen. Im Folgenden lernen Sie die wichtigsten Regelungen kennen, die im Jahr 2019 zu beachten sind.
2. Elektronische Abgabe der Gem1-Erklärung
Das Problem
Früher reichte ein dreiseitiges Formular (Gem1-Erklärung) in Papierform aus, um für drei Jahre „Ruhe“ vor steuerlichen Pflichten zu haben. Mittlerweile hat der Gesetzgeber – beginnend mit der Einführung der E-Bilanz bei Vorliegen einer bilanzierenden Stiftung und wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb – auch für nicht-wirtschaftlich tätige Stiftungen die Abgabe von Steuererklärungen in Papierform grundsätzlich abgeschafft. Nach § 31 Abs. 1a Satz 2 KStG i. V. mit § 150 Abs. 8 AO (bereits mit dem Steuerbürokratieabbaugesetz 2008 eingeführt) kann das Finanzamt von der Einreichung einer elektronischen Gem1-Erklärung nur noch in Härtefällen abweichen.
Aktuelle Situation
Bislang legten die Finanzämter diese Härtefallregelung bei gemeinnützige Stiftungen sehr weit aus. Bereits der Verweis auf einen wenig IT-affinen Vorstand oder den erhöhten Implementierungsaufwand reichte aus, um in Papierform abgeben zu können. Dies führte in der Praxis dazu, dass nahezu alle kleineren gemeinnützigen Körperschaften ihre Erklärungen in Papierform einreichten. Diese Praxis wird in der Breite ab dem 1.1.2019 nicht mehr funktionieren, da die Finanzämter die Härtefallregelung deutlich restriktiver auslegen. Stiftungen werden sich überlegen müssen, wie sie zukünftig ihre (elektronischen) Erklärungspflichten erfüllen können.
3. Kapitalertragsteuer auf inländische Dividenden und vergleichbare Einkünfte
Das Problem
Um missbräuchliche Gestaltungen zu unterbinden, hat der Gesetzgeber bereits seit dem 1.1.2016 in § 36a EStG verfügt, dass Kapitalertragsteuer aus inländischen Dividendeneinnahmen nicht auf die Steuerschuld angerechnet werden kann, wenn sich die Aktien rund um den Dividendenstichtag (Ex-Tag) nicht mindestens 45 Tage („Mindesthaltedauer“) im wirtschaftlichen Eigentum des Anlegers befanden. Damit wurden Steuerschlupflöcher geschlossen, welche u.a. die mehrfache Erstattung (bzw. Anrechnung) von nur einmal gezahlter Kapitalertragsteuer zum Ziel hatten. Daher ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 36a EStG zukünftig unabhängig von einer Steuerbefreiung oder einem Freistellungsbescheid Kapitalertragsteuer abzuführen.
Beispiel:
Eine gemeinnützige Stiftung hat eine positive Umschichtungsrücklage, welche sie laut Satzung nicht für die Zweckverwirklichung einsetzen darf. Mit dem Ziel, laufende Erträge zu generieren, erwirbt sie zehn Tage vor der Auszahlung der Dividende eine Aktie zum Preis von EUR 100,-. Mit Auszahlung der Dividende von EUR 5,- sinkt der Kurs auf EUR 95,- und die Stiftung verkauft die Aktie am nächsten Tag.
Die Stiftung hat im Beispiel die Mindesthaltedauer verletzt und muss im Ergebnis nach § 36a Abs. 4 einen Betrag von 3/5 der nicht anrechenbaren Kapitalertragsteuer an das Finanzamt abführen. Dies entspricht in dem Beispiel 15 % der Dividende, also EUR 0,75. Diese Steuer ist eine Definitivbelastung und kann grundsätzlich nicht im Rahmen der Veranlagung erstattet werden.
Befreiungstatbestände und Verfahrensablauf
Die Stiftung muss bis zum 10. Januar des Folgejahres eine Anzeige beim Finanzamt über alle Fälle des § 36a EStG anzeigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Ausnahmetatbestand einschlägig ist:
a) die Dividenden aus im Inland sammelverwahrten Wertpapieren betragen weniger als EUR 20.000,- oder
b) die entsprechende Aktie war mindestens ein Jahr ununterbrochen im Bestand der Stiftung.
Während kleinere Stiftungen also kein Problem haben dürften, kann bei größeren Stiftungen schnell die Grenze zur Steuerpflicht überschritten werden.
Neben den unangenehmen – potentiell strafrechtlich relevanten – Folgen einer unterlassenen Anzeige bleibt festzuhalten, dass mit der Gesetzesänderung zum einen bislang gängige Strategien des „Dividendenjagens“ zur Steigerung der laufenden Erträge unattraktiv werden. Vor allem aber findet ein entscheidender Systembruch statt: Gemeinnützige Stiftungen können künftig zur Abführung von Ertragsteuern verpflichtet sein, selbst wenn kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird.
Ab 1.1.2019: Kapitalertragsteuereinbehalt auch ohne § 36a EStG
Als wäre die Wirkung von § 36a EStG für die klassische gemeinnützige Stiftung noch nicht komplex genug, dreht der Gesetzgeber ab dem 1.1.2019 das Prinzip der Kapitalertragsteuerfreiheit faktisch um:
Ab dem 1.1.2019 müssen Kreditinstitute auf Dividendeneinnahmen inländischer sammelverwahrter Aktien grundsätzlich Kapitalertragsteuer einbehalten, selbst wenn eine gültige NV-Bescheinigung oder ein Freistellungsbescheid vorliegt. Diese Pflicht zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer besteht nicht, wenn:
a) die Erträge aus im Inland sammelverwahrten Aktien weniger als EUR 20.000,- betragen oder
b) die entsprechende Aktie mindestens ein Jahr ununterbrochen im Bestand der Stiftung war.
Wer die Freigrenze überschreitet, wird also auf inländische Dividenden zukünftig automatisch Steuern in Höhe von 15 % an das Finanzamt abführen und muss sich im Rahmen der Veranlagung um deren Erstattung bemühen. Dies ist für Stiftungen ohne steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entweder ein Liquiditätsnachteil (Erstattung nur alle drei Jahre) oder zusätzlicher Verwaltungsaufwand infolge einer jährlichen (freiwilligen) Steuererklärung.
4. Investmentsteuerreformgesetz
Das Problem
Bislang wurden Investmentfonds grundsätzlich „transparent“ besteuert. Dies bedeutete, dass die Erträge der Investmentfonds den Anlegern direkt zugeordnet wurden und – zum Beispiel im Falle einer gemeinnützigen Stiftung – bei Vorliegen einer Steuerbefreiung auf Ebene des Anlegers keinerlei Steuern erhoben wurden.
Mit Wirkung zum 1.1.2018 wird jedoch – ebenfalls mit dem Argument der Missbrauchsbekämpfung – auch auf Ebene der Investmentfonds eine pauschale Besteuerung von 15 % vorgenommen. Diese Besteuerung betrifft:
a) Dividenden von im Inland sammelverwahrten Aktien und vergleichbare Anlagen sowie
b) Mieteinnahmen und Veräußerungsgewinne inländischer Immobilien.
Anders als bei steuerpflichtigen Anlegern, bei denen die Steuer auf Fondsebene über Teilfreistellungen und Anrechnungen zu keiner Mehrbelastung führen sollte, führt die Neuregelung zu einer Definitivbelastung steuerbefreiter Anleger. Denn bei steuerbegünstigen Stiftungen laufen Freistellungs- und Anrechnungsregelungen ins Leere: Es gibt schlicht keine Steuerschuld, die sich durch Anrechnung von Steuern auf Fondsebene reduzieren ließe.
Analyse
Wenn auch die grundsätzliche Rechtslage dramatisch klingt, so relativiert sich dies für Aktienportfolios bei einem Blick auf die tatsächliche Auswirkung der Steuerbelastung. Diese hängt maßgeblich von dem Anteil inländischer Anlagen und dem Anteil der Dividenden an der Performance (hier unterstellt mit 40 % Dividenden, 60 % Kursgewinne) ab:
Anteil dt. Aktien | mit Befreiung | ohne Befreiung |
---|---|---|
100 % | 4,00 % | 3,76 % |
80 % | 4,00 % | 3,81 % |
60% | 4,00 % | 3,86 % |
40% | 4,00 % | 3,90 % |
20% | 4,00 % | 3,95 % |
0% | 4,00 % | 4,00 % |
Anders stellt sich die Situation insbesondere für (offene) Immobilienfonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland dar. Hier ist tatsächlich mit einer spürbaren Renditeschmälerung zu rechnen, da sowohl Mieterträge als auch Veräußerungsgewinne auf Fondsebene besteuert werden.
Befreiungstatbestände
Zwar sieht das Gesetz in § 10 Investmentsteuergesetz eine vollständige Befreiung auf Fondsebene vor (wenn alle Anleger gemeinnützig sind) und es gibt in § 8 InvStG auch eine teilweise Befreiungsoption (nur für die auf gemeinnützige Anleger entfallenden Erträge), bei der gemeinnützige Anleger die auf Fondsebene gezahlten Steuern von diesem erstattet bekommen. Es wird sich zeigen, ob der damit einhergehende Verwaltungsaufwand tatsächlich in einem sinnvollen Verhältnis zu der ersparten Steuerbelastung steht.
5. Handlungsempfehlungen
Die elektronische Abgabe einer Steuererklärung wird für gemeinnützige Stiftungen Normalität werden. Außer einer möglichst kostensparenden IT-seitigen Umsetzung – je nach Komplexität der Stiftung in Eigenregie, mit einem speziellen Dienstleister oder einer Steuerkanzlei – ist die elektronische Gem1-Erklärung nicht zu vermeiden.
Um die negativen Auswirkungen der Neuregelung des Kapitalertragsteuereinbehalts zu vermeiden, sollten gemeinnützige Stiftungen folgende Bereiche beachten:
- Problembewusstsein für Regelungen des § 36a EStG bei den für Wertpapieranlage verantwortlichen Vorständen und Vermögensverwaltern schaffen.
- Eine Hoffnung bleibt für gemeinnützige Anleger noch, (zu finden in der Verwaltungsanweisung zu §36a): „Wenn eine Steuerumgehungsgestaltung ausgeschlossen ist oder unwahrscheinlich erscheint, so ist dieser Umstand bei der Anwendung des § 36a EStG zu berücksichtigen.“ In Absprache mit den Finanzämtern konnte auf dieser Basis bereits in Einzelfällen eine Nichtanwendung des § 36a EStG erreicht werden.
- Regelmäßige Überprüfung der Wertpapierabrechnungen ab 1.1.2019 auf Einbehalt von Kapitalertragsteuer. Falls diese einbehalten wurde, muss im Rahmen der nächsten Veranlagung eine Erstattung beantragt werden.
Die mit dem Investmentsteuerreformgesetz eingeführte Besteuerung auf Fondsebene sollte bei einer diversifiziert investierenden Stiftung keine wesentlichen Auswirkungen entfalten. Es empfehlen sich jedoch folgende Maßnahmen:
- Identifikation betroffener Anlagevehikel:
– Aktienfonds, insbesondere solche mit Schwerpunkt Deutschland
– Immobilienfonds mit wesentlichen Investitionsobjekten in Deutschland - Anpassung der Asset Allokation
– Aktienanlagen sollten grundsätzlich global ausgerichtet werden. Vor diesem Hintergrund sind die Effekte in der Regel zu vernachlässigen.
– Insbesondere offene Immobilienfonds erfreuten sich bei Stiftungen großer Beliebtheit. Hier sollte individuell zwischen wirtschaftlichen und steuerlichen Aspekten abgewogen werden.
Selbst wenn zahlreiche Stiftungen von den Neuregelungen nicht oder nur unwesentlich betroffen sein dürften: Die Sorgfaltspflicht des Vorstands gebietet, zumindest eine kurze Bestandsaufnahme durchzuführen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Stiftung unverändert sämtliche Steuervorteile der Gemeinnützigkeit behält.
Felix Wallenhorst
Felix Wallenhorst ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in München, spezialisiert auf Fragen des Gemeinnützigkeitsrechts und der Vermögensanlage.
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